Gebühr für Bagatellfälle im Spitalnotfall
Die Notfallstationen der Spitäler sind seit Jahren überlastet. Die Lage verschärft sich zunehmend, insbesondere weil immer mehr Patientinnen und Patienten den Spitalnotfall wegen einer sogenannten «Bagatelle» aufsuchen. Von verschiedenen Seiten wird eine Gebühr für Bagatellfälle in der Spitalnotfallaufnahme gefordert. Diese müsste gleich vor Ort bezahlt werden und wäre weder an die Franchise noch an die Kostenbeteiligung anrechenbar.
Eine Variante sieht vor, dass wer die Notaufnahme eines Spitals aufsucht, künftig eine Gebühr von 50 Franken bezahlen soll – es sei denn, die Person muss hinterher stationär behandelt werden. Die Gebühr soll verhindern, dass Patientinnen und Patienten wegen Bagatellen ins Spital gehen. Keine Gebühr bezahlen müssten Patientinnen und Patienten mit ärztlicher Zuweisung. Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren sowie Schwangere sollen von diesen Zusatzkosten befreit werden.
Die andere Variante soll eine «Lenkungsabgabe» vorsehen. Diese ist immer dann zu entrichten, wenn eine versicherte Person eine Notfallbehandlung in Anspruch nimmt. Personen, die aufgrund eines «tatsächlichen» Notfalls die Spitalnotfallaufnahme aufsuchen, sollen von der Abgabe befreit sein.
Definition Notfall: gestützt auf den KVG-Entwurf des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung:« Eine Notfallbehandlung liegt vor, wenn die Behandlung nicht aufgeschoben werden kann. Dies ist der Fall, wenn die versicherte Person ohne sofortige Behandlung gesundheitliche Schäden oder den Tod befürchten muss oder die Gesundheit anderer Personen gefährden kann.»
Immer mehr gehen ins Spital
Viele Patientinnen und Patienten gehen direkt in den Notfall. Sei es, weil sie beim Hausarzt zeitnah keinen Termin bekommen oder weil sie keinen Hausarzt haben oder finden. Der Mangel an Hausärztinnen und Hausärzten spiegelt sich auch in diesem Punkt wider.
Eine spitalambulante Konsultation ist schnell mal mehr als doppelt so teuer wie die durchschnittliche Konsultation in der Arztpraxis. Dass wegen Bagatellen vermehrt der Notfall aufgesucht wird, überlastet die Notfallorganisationen und kann zu gefährlichen Wartezeiten für echte Notfälle führen. Fehlt bei den Patientinnen und Patienten das Kostenbewusstsein? Ist die Anspruchshaltung gestiegen, dass immer und überall auf medizinische Hilfe zurückgegriffen werden kann? Und was ist ein Notfall? Es obliegt der Definition jedes Menschen für sich, was für ihn ein Notfall bedeutet. Und wer beurteilt eine Bagatelle? Was für die eine Person eine Bagatelle ist, kann für eine andere ein Notfall sein.
Wenn man unsicher ist, ob ein Notfall vorliegt oder ob eine ärztliche Beratung ausreicht, kann man sich an den ärztlichen Notfalldienst in der Region wenden. Dort erhält man eine Erstberatung und wird gegebenenfalls an eine geeignete medizinische Einrichtung weitergeleitet. Dies kann dazu beitragen, unnötige Kosten und Gebühren zu vermeiden.
Kanton Solothurn
Telefon 0848 112 112: Bei der Wahl dieser Nummer werden Sie mit der Polizei Kanton Solothurn verbunden. Die Polizei teilt Ihnen mit, wie Sie die zuständige Notfallärztin/den zuständigen Notfallarzt erreichen.
Kanton Aargau
Telefon 0900 401 501 (CHF 3.23/Minute): Bei Unsicherheit über die medizinische Dringlichkeit erhalten Sie eine telefonische Beratung durch Fachpersonen. Das Telefon ist während 24 Stunden bedient.
Belastung für Menschen mit chronischen Krankheiten
Dagmar Keller Lang, Direktorin des Institutes für Notfallmedizin am Universitätsspital Zürich (USZ) und Präsidentin der Klinischen Ethik des USZ nimmt die Idee der Gebühr als unethisch wahr. «Es darf nicht sein, dass Personen mit wenig Geld den Gang auf den Notfall scheuen, obwohl es dringend angezeigt gewesen wäre». Der Notfall müsse für alle zugänglich bleiben, sagt sie.
Eine Notfallgebühr gefährdet die Gesundheit der Schweizer Bevölkerung, Besonders betroffen wären Menschen mit geringer Gesundheitskompetenz, chronischen Krankheiten, Behinderungen, Migrationshintergrund und Menschen in schwierigen Lebenssituationen.
Lösungsansätze könnten folgendermassen aussehen: eine verbesserte Triage in den Notfallstationen, Patientenleitung und Beratung durch moderne Technologien. Hinzu müsste es ausserdem mehr Unterstützung für Notfallmedizin, Notfallpflege und Grundversorger bei der Bewältigung der steigenden Anzahl von Notfallkonsultationen geben. Die Frage stellt sich zudem, ob Apotheken ihr Aufgabengebiet erweitern könnten, um Patientinnen und Patienten mit leichten Symptomen zu behandeln. Lesen Sie dazu den Gastbeitrag von Lukas Korner, Präsident Aargauischer Apothekerverband.
Die Patientenstelle AG/SO spricht sich gegen eine Kostenpflicht bei Bagatellfällen auf dem Notfall aus. Wichtiger ist es, die Gesundheitskompetenz der Menschen zu stärken, damit sie sorgsam mit ihrer Gesundheit umgehen.
Andere Länder, andere Sitten
In vielen Ländern gibt es spezifische Regelungen bezüglich der Erhebung von Notfallgebühren bei Bagatellfällen in Krankenhäusern. Es kann jedoch von Land zu Land, von Region zu Region und von Spital zu Spital unterschiedliche Regelungen geben.
In einigen Ländern können Krankenhäuser oder Gesundheitsversorgungssysteme Notfallgebühren erheben, um die Kosten für die Inanspruchnahme von Notfallversorgungen durch Patientinnen und Patienten zu decken. Diese Gebühren können je nach Schwere des Falls, der Art der medizinischen Behandlung und der finanziellen Situation des Patienten / der Patientin variieren.
In manchen Ländern gibt es jedoch gesetzliche Vorschriften, die Krankenhäuser daran hindern, bei bestimmten Bagatellfällen eine Notfallgebühr zu erheben. In anderen Fällen können Spitäler von der Erhebung einer Gebühr absehen, wenn der Patient / die Patientin in der Lage ist, eine ausreichende Krankenversicherung oder andere finanzielle Unterstützung vorzulegen.
Es ist daher ratsam, sich im Vorfeld zu erkundigen, welche Regelungen in einem bestimmten Land resp. im Spital bezüglich Notfallgebühren gelten. Das kann dazu beitragen, unnötige Kosten und Unannehmlichkeiten zu vermeiden.