Einsichtsrecht ins Patientendossier?

Auf Rat meines Physiotherapeuten möchte ich eine Zweitmeinung über die Schmerzen in meinem Knie einholen. Ich habe meinen Arzt gebeten, mir meine Krankenakte mit den Röntgenbildern auszuhändigen. Trotz mehrmaliger Aufforderung habe ich nichts erhalten.
Herr K. W. aus Z.

 

Über jede Patientin und jeden Patienten muss der Arzt eine laufend nachzuführende Patientendokumentation (sogenannte Krankengeschichte) über die Aufklärung und Behandlung führen (Dokumentationspflicht). Zur Patientendokumentation gehören sämtliche Patientendaten in Papierform sowie in elektronischer Form, die die Behandlung dokumentieren. Dazu gehören etwa die Anamnese (Vorgeschichte des Patienten), durchgeführte diagnostische und therapeutische Massnahmen, die einzelnen Konsultationen mit den entsprechenden Daten und Befunden, Angaben der Patienten über ihre Beschwerden und den Verlauf der Krankheit, Notizen und Zeichnungen zu durchgeführten Aufklärungen («Patientenblatt» oder «Verlaufsblatt»). Zu den Unterlagen gehören die medizinisch- technischen Aufnahmen, EKG, EEG, CTG und deren Auswertungen; Labor-, Untersuchungs- und Operationsberichte sowie Anästhesieprotokolle. Dazu kommen die Verlaufsberichte wie Pflegerapport, Überwachungsberichte sowie Eintritts- und zusammenfassende Schlussberichte. Die Patientendokumentation muss der Arzt während zehn Jahren nach Abschluss der letzten Behandlung aufbewahren. Die Patientin, der Patient hat jederzeit und ohne Angabe eines Grundes das Recht, vollumfänglich Einsicht in die Patientendokumentation zu nehmen oder Kopien davon zu verlangen. Der Patient kann auch fachkompetente Erläuterungen verlangen. Beim Auskunftsrecht handelt es sich um einen höchstpersönlichen Anspruch. Er stellt insbesondere auch die Grundlage dar, damit eine betroffene Person überhaupt weitere Rechtsansprüche – wie etwa auf Berichtigung unrichtiger Daten oder auf Unterlassung einer widerrechtlichen Datenbearbeitung, den Anspruch auf Schadenersatz – geltend machen kann. Der Gesetzgeber hat deshalb auf Bundesebene ausdrücklich entschieden, dass Auskünfte unentgeltlich sind. Nur im Ausnahmefall – bei einem besonders grossen Arbeitsaufwand – darf eine Gebühr erhoben werden. Kriterien für Ausnahmen von der Kostenlosigkeit ergeben sich aus der neusten Gerichtspraxis. Der übliche Aufwand, der entsteht, wenn ein Dossier hervorgeholt und kopiert wird, fällt nach der Rechtsprechung ganz klar nicht darunter. Ich rate Ihnen, Ihrem Arzt per eingeschriebenen Brief eine letzte Frist zu setzen. Falls Sie Ihre Patientendokumentation nicht spätestens innert 30 Tagen erhalten, müssten Sie Ihren Anspruch auf dem Rechtsweg durchsetzen – ein mühsamer und kostspieliger Weg. Bevor er beschritten wird, lohnt sich eine Beratung bei einem spezialisierten Anwalt oder bei einer Patientenstelle.

 

Susanna Mattenberger, Beraterin Patientenstelle Aargau/Solothurn

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