Gesundheitspolitische Gesamtplanung 2030

Stellungnahme der Patientenstelle Aargau/Solothurn

Im Anhörungsbericht zur gesundheitspolitischen Gesamtplanung (GGpl 2030) stellt der Kanton Aargau Chancen und Herausforderungen dar und stellt mögliche Ziele und Strategien vor. Die Patientenstelle Aargau/Solothurn nahm an der Anhörung Ende November teil. Neben einem bedarfsgerechten, integrierten, digital-vernetztem, qualitativ hochstehendem und finanzierbaren Gesundheitsangebot, fordert die Patientenstelle Aargau/Solothurn ebenso ausdrücklich, eine Patientenorientierung über den gesamten Behandlungspfad.

Lesen Sie in der Stellungnahme der Patientenstelle Aargau/Solothurn: wo sie zustimmt, was sie ablehnt und wo Handlungsbedarf besteht.

Anspruchs- und Konsumhaltung

Die Entwicklung »grundsätzlich steigende Anspruchs- und Konsumhaltung der Patientinnen und Patienten» scheint uns zu verallgemeinernd formuliert. Die Formulierung ist so nicht stimmig für die Mehrheit der Patientinnen und Patienten. Eine Gesundheitsdienstleistung ist kein Konsumgut und wird von Patientinnen und Patienten (meist) nicht als Genussmittel in Anspruch genommen. Patientinnen und Patienten fordern und haben das Recht auf eine bedarfsgerechte Gesundheitsversorgung, entsprechend dem neusten Stand der Wissenschaft und zu einem angemessenen Preis. Auch Partizipation, eine menschenwürdige Betreuung und Anteilnahme sind für Patientinnen und Patienten kein Luxus, sondern tragende Bedingungen für eine effiziente und wirksame Gesundheitsversorgung. Patientinnen und Patienten setzten sich expliziter als noch vor Jahren für ihre Gesundheit ein und leisten damit einen unverzichtbaren Beitrag für die Volksgesundheit.

Systematik der GGpl 2030

Die Patientenstelle Aargau/Solothurn ist klar der Auffassung, im Strategiehaus fehlt die Bevölkerung! Die Bevölkerung zahlt und nutzt die Gesundheitsversorgung. Wir fordern, die Bevölkerung in der Gesundheitslandschaft als Akteure teilhaben zu lassen und im Strategiehaus entsprechend ihrer Bedeutung abzubilden.

Übergeordnete Strategie:

Die Patientenstelle Aargau/Solothurn freut sich, will sich der Kanton für ein starkes Gesundheitswesen im Kanton Aargau einsetzen. Wir begrüssen die Strategie, dass Patientinnen und Patienten Zugang zu qualitativ hochstehenden Leistungen im Kanton haben sollen. Kooperationen der Leistungserbringer, innerhalb des Kantons und über die Kantonsgrenzen, sind zu fördern.

Neben einem bedarfsgerechten, integrierten, digital-vernetztem, qualitativ hochstehendem und finanzierbaren Gesundheitsangebot, fordern wir ebenso ausdrücklich, eine Patientenorientierung über den gesamten Behandlungspfad.

In der übergeordneten Strategie muss auch die Rolle der Patientin und des Patienten definiert werden: Die Werte, Erfahrungen, Präferenzen und Möglichkeiten der Patientin/des Patienten muss bei der Festlegung der Therapie oder Behandlung und während dem gesamten Behandlungsprozess einbezogen werden. Die Transparenz des Leistungserbringers gegenüber der Patientin/dem Patienten umfasst nicht nur die wirtschaftliche Ebene, sondern ebenso das Aufzeigen von Behandlungsmöglichkeiten und evidenzbasierten Entscheidungshilfen.

Die Partizipation der Patientinnen und Patienten und die gemeinsame Entscheidungsfindung im Behandlungsprozess sind zu stärken, damit eine wirksame, zweckmässige und wirtschaftliche Behandlung erfolgt.

Integrierte Versorgung und Versorgungsregionen

Eine patientenorientierte Versorgung über die ganzen Behandlungskette, bei der der Mensch im Mittelpunkt steht, ist zu gewährleisten. Die Patientenstelle Aargau/Solothurn unterstützt diese Strategie und die Schaffung von Versorgungs- und Kooperationsmodellen, die auf Interprofessionalität basieren.

In dem die Bürgerinnen und Bürger befähigt werden, eigenverantwortlich und selbstbestimmt ihre Behandlung/Therapie zu überblicken und diese bewusst wählen, wird die patientenorientierte Versorgung am ehesten sichergestellt.

Wir fragen uns jedoch, ob der Aufbau von Versorgungsregionen in einem bereits fragmentierten System sinnvoll ist. Wir gehen davon aus, dass die integrierte Versorgung und Zusammenarbeit der verschiedenen Leistungserbringer nur funktionieren kann, wenn die Finanzierung aus einer Hand geschieht. Mehr Kompetenzen für die Gemeinden bei der Tarifgestaltung in der Langzeit- und Spitexversorgung sowie bei intermediären Angeboten dürften zu ungleichen Konditionen für die Patientinnen und Patienten innerhalb des Kantons führen. Die Betroffenen werden dies erkennen und allfällige Benachteiligungen dürften Unmut auslösen. Zudem ist davon auszugehen, dass die freie Wahl des Dienstleistungsanbieters, insbesondere für Menschen mit Bezug von Sozialversicherungsleistungen, eingeschränkt wäre. Der organisatorische und administrative Aufwand für die Vielzahl an Vergabeverfahren zwischen Gemeinden und Leistungserbringenden erscheint uns hoch. Ob mit Versorgungsregionen die Kosteneffizienz und die angestrebte Versorgungsqualität gewährleistet wird, ist ungewiss. Ist doch zu bedenken, jede Versorgungsregion benötigt für ein qualitativ ausreichendes Angebot die entsprechenden fachlichen und personellen Ressourcen (beispielsweise Kompetenzen in der Versorgungsplanung und in der Pflege).

Zieht eine Person in eine andere Versorgungsregion, insbesondere Menschen im Arbeitsprozess, stösst ein zu fragmentiertes System an Grenzen. Administrativer Aufwand entsteht, das Vertrauensverhältnis mit Betreuungspersonen muss neu aufgebaut werden und das Risiko eines Versorgungsunterbruchs ist erhöht.

Massnahmen zur Kostendämpfung

Die Patientenstelle Aargau/Solothurn lehnt zugunsten der Bevölkerung Kosten- und Mengenziele entschieden ab.

Das Kostenwachstum hat mit der Zunahme der Bevölkerung, dem steigenden Lebensalter, chronischen Krankheiten und dem medizinisch-technischen Fortschritt zu tun. Menschen jeden Alters, ob mit akuter, chronischer, seltener Krankheit und/oder Behinderung, wollen die bestmögliche Gesundheitsversorgung. Damit sie wieder am Leben teilnehmen können, gesund oder mit möglichst geringen Beschwerden. Dies führt zwangsläufig zu einem Kostenwachstum im Gesundheitswesen. Das Augenmerk sollte sich vielmehr auf die Wertschöpfung richten, wenn Menschen wieder leistungsfähig sind, z.B. Arbeitsfähigkeit, soziale Teilhabe, psychische Gesundheit.

Ziel muss eine bedarfsgerechte Versorgung sein und nicht die Einhaltung eines Kosten- oder Mengenziels. Die Indikation für eine Behandlung/einen Eingriff muss auf Basis einer medizinischen Beurteilung und der Beteiligung der Patientin/des Patienten getroffen werden. Die Leistungserbringung ist immer auf den medizinischen und pflegerischen Bedarf der Patientin/des Patienten auszurichten.

Gesundheitsförderung und Prävention

Die Strategie zur Gesundheitsförderung und Prävention über die gesamte Lebensspanne hinweg in der Bevölkerung unterstützt die Patientenstelle Aargau/Solothurn vollkommen. Eine hohe Gesundheitskompetenz der Bevölkerung im Umgang mit Gesundheit und Krankheit ist wichtig bei der Partizipation im Behandlungsprozess. Mit einer gestärkten Gesundheitskompetenz können Patientinnen und Patienten wesentlich dazu beitragen, dass die Versorgung zweckmäßig, wirksam und wirtschaftlich erfolgt. Aus Sicht der Patientenstelle Aargau/Solothurn ist die Stärkung der Gesundheitskompetenz eine der wichtigsten Massnahmen gegen ausufernde Kosten.

Die Höhe der Beteiligung des Kantons an den Kosten für die Gesundheitsförderung können wir nicht beurteilen. Wichtig scheint uns, dass effektive Projekte/Programme zur Gesundheitsförderung und Prävention aktiv vom Kanton finanziell unterstützt und gefördert werden. Dies insbesondere mit dem Augenmerk auf belastete vulnerable Menschen.

Die Patientenstelle Aargau/Solothurn sieht sowohl in der Primär- wie auch in der Sekundärprävention einen grossen Nutzen für die Menschen, damit sie ihrer Gesundheit Sorge tragen können. Bei der Entwicklung/Etablierung von Programmen ist der Einbezug von Betroffenen bedeutend und sollt stets mitgedacht werden.

Beratungsstelle

Der Bevölkerung stehen bereits heute zahlreiche Unterstützungs- und Beratungsangebote über alle Altersgruppen hinweg zur Verfügung, wie beispielsweise die "Patientenstelle Aargau/Solothurn" oder die von Pro Senectute Aargau im Auftrag der Gemeinden geführte Anlauf- und Beratungsstelle für Altersfragen. Die Bekanntheit der bestehenden Anlaufstellen weist Verbesserungspotenzial auf.

Der Aufbau von Beratungsangeboten in den geplanten Versorgungsregionen führt zu Doppelspurigkeit. Hingegen erachten wir für eine bedarfsgerechte und finanzierbare Gesundheitsversorgung die Optimierung des Versorgungsmanagements und die Förderung der Gesundheits- und Krankheitskompetenz als notwendig. Konkret denken wir an Beratungen vor Behandlungen/Operationen (z.B. welche Fragen stelle ich dem Arzt? Leidensdruck? Zweitmeinung? Wann ist der richtige Zeitpunkt?), Umgang mit digitalen Gesundheitsdaten, Beratung zu Versicherungsfragen, Kosten, Versorgungs- und Betreuungsangebote, Patientenverfügung, Vermittlung von weiterführenden spezifischen Beratungsangeboten wie Pro Infirmis, seltene Krankheiten, usw..

Grundsätzlich stellt sich hier die Frage, ob es nicht sinnvoller wäre, die entsprechenden Beratungsstellen durchgängig durch den Kanton zu finanzieren (analog Suchtberatung oder Sexuelle Gesundheit Aargau), als dies den Gemeinden zu überlassen. Dezentrale und uneinheitlich finanzierte Lösungen erscheinen uns nicht zweckmässig.

Ombudsstelle

Die bestehende Patientenstelle Aargau/Solothurn dient als Anlauf- und Vermittlungsstelle bei Differenzen zwischen Leistungsbezügerinnen und -bezügern und Leistungserbringern zur Behandlung oder Rechnungsstellung. Bereits heute betreibt sie im Auftrag des Kantons eine Ombudsstelle für pflegebedürftige Menschen und eine Ombudsstelle für Menschen mit Behinderungen. Dieses Angebot wird von den Betroffen sehr geschätzt und leistet einen wichtigen Beitrag zur Qualitätsverbesserung in der Gesundheitsversorgung.

Ergänzend zu den Ombudsstellen für pflegebedürftige Menschen und für Menschen mit Behinderungen ist eine unabhängige, neutrale, für die Nutzerinnen und Nutzer kostenlose Ombudsstelle für alle Gesundheitsleistungsorganisationen (Spital, Rehabilitationsklinik, Arzt-, Therapiepraxis, Apotheke usw.) hinweg, zu begrüssen. Die Patientenstelle Aargau/Solothurn befürwortet die Strategie 25.2 im Interesse der Patientinnen und Patienten.

Fazit zur GGpl 2030

Damit aktuelle und zukünftige Herausforderungen in der Gesundheitsversorgung gelöst werden, braucht es die neue GGpl 2030. Der vorliegende Entwurf zeigt viele gute Strategien und Ansätze auf. Die Stellung der Patientinnen und Patienten muss in der GGpl 2030 weiter gestärkt werden. Nur so wird es gelingen, die übergeordnet genannten Ziele der GGpl 2030 zu erreichen.

 

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