Das Elektronische Patientendossier (EPD) - Fluch oder Segen?

In der heutigen digitalisierten Welt gewinnen elektronische Daten und Informationssysteme immer mehr an Bedeutung. Ein Bereich, in dem dies besonders zutrifft, ist das Gesundheitswesen. Das Bundesgesetz über das elektronische Patientendossier (EPDG; SR 816.1) trat 2017 in Kraft. «Mit dem elektronischen Patientendossier sollen die Qualität der medizinischen Behandlung gestärkt, die Behandlungsprozesse verbessert, die Patientensicherheit erhöht und die Effizienz des Gesundheitssystem gesteigert, sowie die Gesundheitskompetenz der Patientinnen und Patienten gefördert werden» (EPDG, Art. 1. Abs. 2). Das EPD beinhaltet eine Sammlung von persönlichen Dokumenten mit Informationen zur Gesundheit einer Patientin oder eines Patienten. Das sind zum Beispiel medizinische Diagnosen, Austrittsberichte eines Spitals, Pflegeberichte der Spitex, Behandlungspläne, Laborergebnisse, Röntgenbefunde, Medikationslisten, Impfausweis, Patientenverfügung. Sowohl Gesundheitsfachpersonen wie auch die Patientin / der Patient selbst können Dokumente im EPD speichern.

Was sind die Vorteile und was die Herausforderungen des EPD?

Die Vorteile des EPD sind vielfältig:

  • Erstens ermöglicht das EPD einen sicheren Austausch von Informationen zwischen verschiedenen Gesundheitseinrichtungen und -fachpersonen. Dies kann eine bessere Zusammenarbeit und Koordination zwischen verschiedenen medizinischen Fachkräften herbeiführen.
  • Zweitens können Doppeluntersuchungen und überflüssige Tests vermieden werden, da Gesundheitsfachpersonen auf die vorhandenen Informationen im EPD zugreifen können. Dies spart Zeit, Ressourcen und reduziert die Belastung für die Betroffenen.
  • Drittens sind wichtige Gesundheitsinformationen im Notfall rasch verfügbar, auch wenn die Patientin / der Patient nicht ansprechbar ist.
  • Viertens hat die Patientin / der Patient Zugang zu den eigenen Gesundheitsdaten und kann somit aktiv am Behandlungsprozess teilnehmen.

Dennoch gibt es auch einige Herausforderungen bei der Einführung und Implementierung des EPD. Gesundheitsdaten sind äusserst sensibel und müssen vor unbefugtem Zugriff geschützt werden. Für das EPD gelten die höchsten Sicherheitsstandards zum Datenschutz und zur Datensicherheit. Jedoch kann selbst mit den besten Standards nie eine 100%-Sicherheit erreicht werden. Patientinnen und Patienten müssen in der Lage sein, die verschiedenen Funktionen des EPD zu verstehen, eigene Daten zu verwalten und Sicherheitsvorkehrungen. Darüber hinaus sind Interoperabilität und Standardisierung wichtige Aspekte, um sicherzustellen, dass verschiedene Systeme miteinander kommunizieren können. Es bedarf einer einheitlichen Herangehensweise und Standards, um die Vorteile des EPD vollständig zu realisieren.

Das EPD stösst nicht nur auf Gegenliebe

Kritische Stimmen geben zu bedenken, dass das EPD jährlich Millionen verschlinge und nicht vom Fleck komme. Es basiere auf einer veralteten Technik und sei daher kaum von Nutzen für die Bevölkerung. Statt dynamischer Daten wie etwa Blutdruckwerte, welche zwischen Leistungserbringern ausgetauscht werden könnten, beinhalte das EPD nur statische Bilder und PDF-Dateien.

Die in den Dossiers enthaltenen Informationen müssen so aktuell und vollständig wie nur möglich sein, denn wenn sich das Fachpersonal nicht darauf verlassen kann, werden die Dossiers gemieden. Die Daten müssen so strukturiert sein, dass sie mit wenig Aufwand darin abgelegt, einfach wieder gefunden und bearbeitet werden können. Dass EPD sollte so einfach und nützlich zu bedienen sein wie eBanking oder ein Smartphone.

Weil dies noch nicht der Fall ist, eröffnet kaum jemand ein EPD. Bis im März 2024 wurden in der Schweiz 53'474 EPDs eröffnet. Wer übernimmt den schwerfälligen Registrierungsprozess für die Menschen, die sich nicht selbst registrieren können? Wer befähigt und unterstützt Patientinnen und Patienten bei der Verwaltung ihrer Daten und der Zugriffsrechte im EPD? Die aktive Information, Beteiligung und Befähigung der Bevölkerung und Gesundheitsfachpersonen sind neben der Verbesserung der Benutzerfreundlichkeit und Funktionalität wichtig für eine breite Nutzung und Akzeptanz des EPD.

Die Offenlegung der Gesundheitsdaten ist freiwillig. Jede Patientin / Jeder Patient entscheidet selbst, welche Informationen sie / er mit welchen Gesundheitsfachpersonen teilen will. Damit werde der mögliche Nutzen zunichte gemacht, etwa die Vermeidung von Doppelbehandlungen.

Die Benutzung des EPDs muss auch für alle Leistungserbringenden praxistauglich und ohne Mehraufwand möglich sein. Momentan stösst es eher auf Ablehnung, Desinteresse und Unverständnis beim medizinischen Personal. Vielleicht spielt hier auch der Fachkräftemangel eine Rolle, welcher mit administrativen Arbeiten noch verstärkt belastet wird. Erst mit der Teilnahme von möglichst vielen Leistungserbringenden können die Ziele des EPDs erreicht werden. Bis heute ist dies für vor 2022 niedergelassene Ärztinnen und Ärzte, Apothekerinnen und Apotheker, Spitex-Dienstleistende oder Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten freiwillig.

Zertifizierte EPD-Anbieter in der Schweiz:

Es gibt sieben, nach Bundesgesetz zertifizierte Anbieter. Im Kanton Aargau ist Emedo als zertifizierte Stammgemeinschaft bei den Spitälern mit Vertrag angeschlossen, im Kanton Solothurn Sanela. Alle Anbieter sind für die Verwaltung dieser Daten verantwortlich und müssen strenge Sicherheitsvorkehrungen treffen, um die Vertraulichkeit der Patientendaten zu gewährleisten.

Es ist wichtig zu beachten, dass die Nutzung eines EPDs in der Schweiz freiwillig ist und die Patientinnen und Patienten die Möglichkeit haben, ihren eigenen Anbieter auszuwählen.

Insgesamt bietet das EPD grosse Potenziale zur Verbesserung der medizinischen Versorgung. Durch den nahtlosen Austausch von Informationen zwischen verschiedenen medizinischen Einrichtungen können Patientinnen und Patienten besser betreut werden. Zudem können sich Patientinnen und Patienten mit der Einsicht in die eigenen Gesundheitsdokumente aktiver am Behandlungsprozess beteiligen.

Möchten Sie mehr über das EPD erfahren oder fragen Sie sich, ob sich die Eröffnung eines EPD für Sie persönlich lohnt? Die Patientenstelle AG/SO berät Sie gerne.

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