40 Jahre Patientenstellen - viel erreicht, aber noch lange nicht am Ziel

Die Sendung Puls vom Montag, 4. November 2019 hat in ihrem Schwerpunktthema «40 Jahre Patientenstelle» die heutigen Rechte der Patientinnen und Patienten beleuchtet und über die aktuellen Forderungen und die schleppende Umsetzung von neuen Modellen in der Gesundheitspolitik berichtet. Die Patientenstelle Aargau/Solothurn konnte zwei Klientinnen gewinnen, die über ihre gemachten Erfahrungen nach einer Operation in der Sendung erzählen.

Beide Frauen haben sich telefonisch bei der Patientenstelle Aargau/Solothurn gemeldet. Im Falle von Frau Sch. fand ein enger Kontakt per Telefon und Mail statt. Nachdem wir die Vollmacht von ihr eingeholt hatten und sie uns die OP-Berichte zur Verfügung stellte, forderte die Patientenstelle AG/SO die noch fehlenden Unterlagen direkt bei der Klinik an. Nach dem Aktenstudium wird, wie bei allen Klienten, eine erste Einschätzung vorgenommen. Handelt es sich um einen Behandlungsfehler oder um eine Komplikation? Die Patientenstelle hat mit einem Schreiben an die Klinik veranlasst, dass der Schaden bei der Haftpflichtversicherung angemeldet und eine Verjährungsverzichtserklärung eingeholt wurde. Somit verjährt der Fall nicht und man hat genügend Zeit, um eine allfällige finanzielle Forderung zu stellen. Unsere Klientin hatte bereits Gespräche mit dem Operateur geführt, welche jedoch nicht zielführend für sie waren. Intraoperativ kam es zur Beschädigung eines Instrumentes. Fraglich ist, ob dieser Vorfall die folgenden grossen Komplikationen ausgelöst hat und ob der Hersteller für den Materialfehler haftbar gemacht werden kann. Sie hatte nach der Operation extreme Schmerzen, konnte ihr Bein nicht mehr anheben und der Oberschenkel war gefühlslos. Unsere Klientin musste sich einer zweiten, aufwändigen Operation unterziehen lassen, welche nicht den erhofften Erfolg brachte. Der Verzicht auf ihre sportlichen Aktivitäten fällt ihr schwer, da sie ohne Hilfe der Arme ihr Bein nicht anheben konnte. Die Patientenstelle AG/SO organisierte einen Facharzt, welcher unsere Klientin persönlich konsultierte. Er erstellte ein mehrseitiges Gutachten, in welchem er auch Stellung nimmt zu der Indikation einer erneuten Operation, welche unserer Klientin vorgeschlagen worden ist.

Bei unserer anderen Klientin, Frau S., liegt der Fall ähnlich. Die Patientenstelle hat vorgängig die Akten ihrem Facharzt zur Beurteilung vorgelegt. Er empfahl daraufhin eine Zweitmeinung einzuholen, was unsere Klientin befolgte. Diese ergab, dass es mit grosser Wahrscheinlichkeit zu einer thermischen Schädigung eines Nervs anlässlich der Laserbehandlung der Krampfadern kam. Das ist eine extreme seltene Komplikation, welche bei schlanken Personen mit wenig Unterhautfettgewebe leider vorkommen kann. Unsere Klientin kann nicht mehr arbeiten, hat wiederkehrende Schmerzattacken in ihrem Bein und ist auf fremde Hilfe angewiesen.

Wer kommt für die Kosten auf?

Beide Frauen haben durch diese Komplikationen nicht nur einen körperlichen, sondern auch einen seelischen Schaden erlitten. Plötzlich nicht mehr den gewohnten Tagesablauf pflegen zu können, auf Sport verzichten zu müssen, die Arbeit aufgeben, seine Zeit mit Therapien verbringen – all das wiegt schwer. Wer bezahlt die Auslagen für Gutachten, Wegkosten, Schuheinlagen, Massagen, Haushalthilfe etc? Zudem bringen viele Patienten die Kraft nicht auf, sich zu wehren.

Ziel von Operationen ist es nicht, dem Patient zu schaden, sondern – ganz im Gegenteil – dessen Gesundheit zu fördern oder wiederherzustellen. Dabei sind die Eingriffe jedoch auch immer mit Schmerzen und Risiken verbunden und nicht jedes nicht zufriedenstellende Ergebnis ist tatsächlich auch als Behandlungsfehler zu qualifizieren. Körperliche Verletzungen können auch im Rahmen einer korrekten ärztlichen Behandlung zu schweren Schäden führen.

Wann liegt ein Behandlungsfehler vor?

Die Definition des Begriffs «Behandlungsfehler» gestaltet sich mitunter schwierig. Grundsätzlich hat jeder eine Vorstellung zu dessen Inhalten. Doch nur weil der Patient am Ende der Behandlung nicht wieder vollständig gesund ist oder Komplikationen auftraten, handelt es sich noch lange nicht um einen Fehler des medizinischen Fachpersonals.

Ein grober Behandlungsfehler ist dann anzuerkennen, wenn der Arzt einen Patienten durch unsachgemässes und dem Stande der Medizin nicht entsprechendes Verhalten schädigt – durch Tun oder aber auch durch Unterlassen.

Es ist nicht leicht, einen Ärztefehler nachzuweisen. Es braucht in aller Regel Sachverständige, welche sich im medizinischen Bereich gut auskennen. Auch ein Anwalt mit Medizinrechtserfahrung kann weiterhelfen. Recht haben und Recht bekommen sind jedoch zwei verschiedene Paar Schuhe. Auf der anderen Seite stehen Ärzte, Versicherer und Pharmaunternehmen, welche finanzstarke und politisch gut aufgestellte Gegner sind.

Die Patientenstelle ist der Meinung, dass man sich am Schaden und nicht am Fehler orientieren sollte. Heute muss der Patient beweisen, dass ein Fehler passiert ist. Einen Fonds, welcher Entschädigungen ausbezahlt, welche als Behandlungsfolgen, die nicht auf Fehler zurück zu führen sind, ist dringend nötig.

Die Geschichte der beiden Frauen ist noch nicht fertig, es ist jedoch wünschenswert, wenn eine Geste, eine Wiedergutmachung von Seiten der Spitäler erfolgen würde für all das Leid, welches sie erlitten haben.

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